Dalí
und die Gesänge des Maldoror.
Lautréamonts Einfluss auf Salvador Dalí in den 30er Jahren
Die
Gesänge des Maldoror
ist der Titel eines der schaurigsten Bücher die je geschrieben wurden.
Der Titelheld Maldoror verwandelt die Welt mit bestialischer Grausamkeit in
eine Stätte des Grauens, der Qual und der Ungerechtigkeiten. Der Schriftsteller,
Lautréamont, hält sich an keine erzähltechnischen Regeln und
praktiziert die ersten Beispiele der automatischen Schreibweise. Als die Surrealisten
zufällig auf die Gesänge stossen, erklären sie sie zur
Ikone ihrer Bewegung.
Dalí wurde 1933 damit beauftragt, die Gesänge des Maldoror
mit 42 Darstellungen zu bebildern. Sie sind sein surrealistischster und interessantester
Illustrationszyklus, da ihm der Auftraggeber in der Gestaltung absolute Freiheit
liess.
Auf den ersten Blick völlig textfremd gestaltet, offenbaren die Graphiken
bei näherer Untersuchung jedoch ein äusserst komplexes Bild-Text-Verhältnis,
in dem alle Nuancen der Textentsprechungen vorkommen, während der Künstler
seine visuellen Interpretationen rational verschlüsselt.
Die Arbeit greift jedoch weiter aus und untersucht den allgemeinen Einfluss
der Gesänge im künstlerischen und geschriebenen Werk. So gewinnt
Dalí aus den Gesängen eine Unzahl an Motiven, die er "wortwörtlich",
die Textstellen sozusagen visuell zitierend, wiedergibt.
Seine Schriften und Autobiographien bereichert er ebenfalls mit Passagen aus
den Gesängen. Zuweilen nimmt er die Persönlichkeit des seelisch
zerfetzten Maldoror an, verwüstet, ihm gleich, die Umgebung oder erlebt
"maldororspezifische" Abenteuer, die dem Image des genialen Wahns
entsprechen...
©2000
Karina Liebe-Kreutzner